01/06/2025 0 Kommentare
Impressionen vom 39. Evangelischen Kirchentag
Impressionen vom 39. Evangelischen Kirchentag
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Impressionen vom 39. Evangelischen Kirchentag
Impressionen vom 39. Evangelischen Kirchentag
30. April bis 4. Mai 2025 in Hannover
unter dem Motto „Mutig – stark – beherzt“
Das Wetter über der niedersächsischen Messe- und Landeshauptstadt zeigte sich von seiner schönsten Seite, als wir zu Beginn des diesjährigen Kirchentages auf dem Messegelände eintrafen und der Eröffnungsgottesdienst bildete nicht nur eine schöne Einstimmung, sondern eröffnete dieses imposante, alle zwei Jahre stattfindende Ereignis, diesmal „mal wieder“ in Hannover, wo schon im Jahr 1949 der erste Kirchentag stattfand. Das Gelände mit seinen riesigen Hallen, welches neben der weltberühmten Industriemesse auch Kulisse für die Weltausstellung im Jahr 2000 war, scheint prädestiniert zu sein, um die gewaltigen Teilnehmerzahlen eines Kirchentages – diesmal waren es 81.000 gezählte Teilnehmerinnen und Teilnehmer – aufzunehmen.
Für mich war das tatsächlich der erste „persönlich erlebte“ Kirchentag und meine erste Erfahrung war, dass ich quasi „erschlagen“ wurde von all dem, was an Veranstaltungen gleichzeitig an verschiedenen Orten dargeboten wurde. Um ein Beispiel zu nennen, es wurden von Donnerstag bis Samstag jeweils zwischen 9.30 Uhr und 11.00 Uhr gleichzeitig 18 (!) verschiedene Bibelarbeiten angeboten. „Bibelarbeit“ bedeutet an dieser Stelle, dass verschiedene bekannte Personen der Zeitgeschichte, d. h. Politiker, Künstler, Wissenschaftler, Pädagogen und Theologen sich jeweils mit dem gleichen Thema auseinandersetzen, z. B. am Donnerstag mit dem Thema „Mut zum Widerspruch“ aus Markus 7, 24-30. So blieb uns als Teilnehmer nichts anderes übrig, als das wir uns nach kurzem Blick in das Programmheft für eine Veranstaltung zu entscheiden hatten und hierbei hofften, dass die jeweilige Halle nicht schon beim Eintreffen völlig überfüllt war.
Doch auch das war oft kein Problem, da einige Veranstaltungen per Lautsprecher in das schöne parkähnliche Außengelände übertragen wurden und so konnten wir am Donnerstag – bequem auf der Wiese lagernd – den Ausführungen von Bundeskanzlerin a. D. Angela Merkel zur o. g. Bibelstelle lauschen.
Getreu dem übergeordneten Motto - „mutig – stark – beherzt“ – avancierte die anglikanische Bischöfin Mariann Edgar Budde aus der Diözese Washington zum unangefochtenen Star des Kirchentages. Budde hatte beim traditionellen, in alle Welt übertragenen Gottesdienst anlässlich der Amtseinführung des neuen amerikanischen Präsidenten um Erbarmen mit Migranten und benachteiligten Minderheiten in den USA gebeten. Durch ihre mutige und beherzte Predigt wurde auch der mangelnde Widerstand der US-Zivilgesellschaft gegen die Zerstörung demokratischer Institutionen offenbar. In Hannover, wo sie mit ihrem Beitrag gleichzeitig zwei große Messehallen füllte, verurteilte sie die herrschende Tendenz zur Geringschätzung und die Abschätzigkeit, mit der heute – gerade auch über die sozialen Medien – oft über andere Menschen gesprochen wird.
Die meisten Veranstaltungen folgten einem Dialogformat, d. h. aus dem Publikum heraus konnten Fragen überbracht werden und es war auch immer Raum für Austausch und Diskussionen. Besonders gut gefiel mir das Veranstaltungsformat „Rotes Sofa“, auf dem u. a. Prominente wie Bundespräsident a. d. Christian Wulff, der Journalist Heribert Prantl und auch die frisch gewählte Bundestagspräsidentin Julia Klöckner zum Interview oder zum Gedankenaustausch Platz nahmen. Auch hier wurde schnell klar, dass Politik und Kirche sich beflügeln (müssen), angesichts der vielen Konflikte, Ängste und Zukunftsthemen, die unsere moderne Welt ausmachen
Wir saßen nah dran und erlebten die Akteur:innen recht spontan und hautnah. So warf eine politisch am rechten Rand stehende Person den Akteuren auf der Bühne immer wieder lautstark „rechte“ Thesen an den Kopf, was dazu führte, dass Wulff und Klöckner spontan reagierten und aus ihrer Sicht argumentierten und widersprachen. Es gab also ausreichend Raum für Rede und Widerrede sowie auch für Diskurse zwischen Kirche, Politik, Wissenschaft und Presse.
Ich möchte nicht verhehlen, dass die Tage auch körperlich-mental anstrengend waren. Immerhin gab es in den Hallen für die Besucher Sitzgelegenheiten in Form von zu Hockern gefalteten Pappkartons. Doch nach mehreren Stunden auf den Pappkartons schmerzt das Hinterteil dermaßen, dass man nur noch stehen möchte!
Neben den vielen Veranstaltungen auf dem Messegelände gab es auch noch viele Veranstaltungsorte, die über die ganze Stadt verteilt und über die hervorragende U-Bahn Infrastruktur leicht zu erreichen waren. Leider stellten wir aber dann vor Ort fest, dass die gewählte Veranstaltung ebenfalls völlig überfüllt war, z. B. die Musik- und Singveranstaltung am Samstag in der Christuskirche, die in der hannoverschen Nordstadt liegt. Wir wären hier erst nach stundenlangem Warten in der prallen Sonne eingelassen worden, so dass wir wieder „umdrehen“ mussten.
Ein absolutes Highlight war das Bläserkonzert am Freitagabend auf dem Opernplatz, auf dem der bekannte Posaunist Nils Landgren mit der Gruppe Flächengold auf der Bühne sowie hunderten von Bläsern unten auf dem Opernplatz, die aus Gemeinden und Vereinen der ganzen Republik angereist waren. Als dann in der Abenddämmerung abertausende von Kerzen die Dunkelheit erhellten, bevor es zum Nachtsegen und zum Nachtgebet ging, ja, da konnte einem das Herz aufgehen! Überhaupt erblühte die niedersächsische Landeshauptstadt, die ihre Besucher traditionell eher reserviert empfängt, an diesen Tagen zu einem Ort spontaner Diskussion und Begegnung.
Auch die unzähligen ehrenamtlichen, zumeist jugendlichen Helfer:innen müssen hier Erwähnung finden. Ohne diese wäre eine derartige Veranstaltung wahrscheinlich nicht machbar oder auch kaum bezahlbar. Ein wenig erschöpft und müde von diesem fulminanten Großereignis traten wir unsere Rückreise an, doch auch geistig bereichert von all den interessanten Eindrücken, die wir vom Kirchentag mit nach Hause nahmen. Die Reise zum nächsten evangelischen Kirchentag ist nicht mehr so weit, denn dieser findet in zwei Jahren in Düsseldorf statt!
Dr. Andreas Bischoff

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